Kinder- und Jugendhilfe im Corona-Brennglas

Karola Stange zu Gast im AWO Kinder- und Jugendheim „Am Ringelberg“

Erschöpfte Mitarbeiter*innen und Kinder am Ende der Geduld – die vergangenen zwei Pandemie-Jahre haben die Kinder- und Jugendhilfe an ihre Belastungsgrenze gebracht. Die Thüringer Landtagsabgeordnete und Erfurter Stadträtin Karola Stange war diese Woche zu Gast im AWO Kinder- und Jugendheim „Am Ringelberg“, um sich im Gespräch mit der Leiterin des Jugend- und Sozialhilfeverbundes Erfurt Andrea Schreiber, dem Einrichtungsleiter Kai Werner sowie den Teamleiterinnen Ellen Huschke und Katharina Schmejkal ein Bild von der Situation vor Ort zu machen.

„Corona hat unseren Alltag völlig auf den Kopf gestellt und die Arbeit zum Non-Stop-Lebensmittelpunkt gemacht“, erzählt Teamleiterin Ellen Huschke und erinnert sich noch an den ersten Lockdown. Damals waren die Kinder von einem Tag auf den anderen dauerhaft in der Einrichtung, was u.a. zusätzliche Betreuungszeiten mit sich brachte.

„Da mussten wir schon zu zweit im Dienst sein, um die Kinder gut durch den Tag zu bringen“, ergänzt Katharina Schmejkal. Denn neben der Suche nach Beschäftigungsmöglichkeiten, mussten auch die Begleitung bei externen Terminen und das Homeschooling abgedeckt werden. „Haarig wurde es, wenn dann Kollegen selbst in Quarantäne mussten.“

Alles für die Kinder

Spontane Personalausfälle und Kinder, die pandemiebedingt zu Hause betreut werden mussten, sollten jedoch auch über die Lockdowns hinaus zur Regel werden. Und das brachte sowohl für die Kinder als auch das Team enorme Herausforderungen mit sich.

Während die Heranwachsenden mit Isolation und Verzicht konfrontiert waren, wurden auf Personalseite immer wieder kurzfristig freie Tage verworfen und soziale Kontakte diszipliniert gemieden.

„Alles, um die Arbeit machen zu können und für die Kids da zu sein“, erzählt Einrichtungsleiter Kai Werner, der der Situation noch etwas Gutes abgewinnen möchte: „Die Kinder wissen nun definitiv, wie wertvoll sie uns sind und mit wieviel Leidenschaft alle arbeiten. Schon vorher haben wir das natürlich immer versucht, deutlich zu machen – aber nun ist klar, wie weit jeder hier bereit ist, für sie zu gehen.“

„Wir wollen Respekt und Wertschätzung“

Nach zwei Jahren Pandemie habe das jedoch auch etwas zur Folge, das sich bereits vor Corona über Jahre abzeichnete: Es werden kaum Fachkräfte für die stationäre Jugendhilfe gefunden.

„Wir brauchen dringend Fachkräfte und dafür auch die Hilfe der Politik“, richtet Andrea Schreiber das Wort an Karola Stange und wünscht sich dafür u.a. Verbesserungen in den Entgelten mit den Jugendämtern, der Entlohnung erzieherischer Berufe sowie der Finanzierung der Anerkennungspraktika. „Wir rennen gegen Mauern – seit vielen Jahren – insbesondere in den letzten zwei Jahren machen wir an verschiedenen Stellen auf die Probleme aufmerksam, aber sind immer wieder außen vor.“

Auch Kai Werner zeigt sich enttäuscht von der Politik in Thüringen: „In den Monaten der Pandemie wurde unsere Arbeit kaum wertgeschätzt. Stattdessen haben wir mehr bürokratischen Aufwand und müssen den Geldern für die zusätzlichen Betreuungszeiten noch hinterherlaufen.“ Neben den personellen und finanziellen Aspekten wünschen sich die Beteiligten aber vor allem eins:  

„Gesellschaftliche Wertschätzung und Anerkennung für unsere gesellschaftlich wertvolle und unverzichtbare Arbeit mit Kindern, Jugendlichen und Eltern.“

Karola Stange zeigt sich bewegt von den vielen Eindrücken und erklärt: „Vieles davon war mir bisher in diesem Ausmaß nicht bewusst. Deswegen ist es mir so wichtig, immer wieder die Gespräche vor Ort zu suchen, um die jeweiligen Belange mit in die Politik zu tragen.“

Vielen herzlichen Dank an Frau Stange für den Besuch und das aufrichtige Interesse an der Arbeit und den Problemen vor Ort!  

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