„Die kleinen Notbetreuungsgruppen tun den Kindern gut“

Zum Tag der Inklusion: Über die Arbeit der integrativen Kindergärten der AWO AJS gGmbH in der Pandemie

Krisenzeiten verändern den Alltag in Deutschland. Auch in den Kindergärten sind die Auswirkungen deutlich spürbar. Kinder und Erzieher*innen sehen sich mit ständig wechselnden Anforderungen konfrontiert, die eine notwendige Routine unmöglich machen. Besonders Kinder mit Förderbedarf stehen in dieser Zeit im Fokus. Für sie ist eine regelmäßige Betreuung, ein beständiges soziales Umfeld und ein gutes Bildungsangebot wichtig. Doch in den letzten Wochen fällt auf, dass es diesen Kindern in der aktuellen Situation mit am besten geht. 

Von Null wieder anfangen

Die Erfahrungen aus dem ersten Lockdown zeigten, welche Folgen eine längere Betreuungspause bei Integrativ-Kindern haben können. Auch im Roßlebener Kindergarten „Gänseblümchen“ haben sich die vier Wochen bemerkbar gemacht. Der Wegfall des sozialen Umfeldes führte dazu, dass die Pädagog*innen nach eigener Aussage wieder „von Null anfangen mussten“, sagt eine Mitarbeiterin der Einrichtung. Zu Hause ist eben etwas ganz anderes und immer häufiger fällt den Eltern und auch den Erzieher*innen auf, dass die Kinder nach ihren Freunden fragen. „Auch, wenn Kinder mit Förderbedarf ein Anrecht auf die Notbetreuung haben, werden 20 Prozent von ihnen aus unterschiedlichen Gründen zu Hause betreut“, so Kerstin Hermann, Leiterin des integrativen Kindergartens „Buchenberg“ in Erfurt. Hier hat man die Erfahrung gemacht, dass eine alleinige Betreuung durch die Eltern im eigenen Haushalt auch nachteilig für das Kind sein kann.

Der Vorteil von kleineren Gruppen

Dass die Gruppen in Zeiten der Notbetreuung kleiner sind, wirkt sich bei Integrativ-Kindern eher positiv aus. Die Erzieher*innen sehen bei ihnen eine ganz andere Haltung, auch im Umgang mit anderen. Es fällt ihnen leichter, soziale Kontakte zu knüpfen, und der Effekt einzelner Lerneinheiten ist größer. In den Gruppen selbst spielt das Pandemiegeschehen für Kinder nicht die gleiche Rolle wie für die Erwachsene. Zwar ist das ständige hin und her auch ein Stück weit eine Veränderung und sorgt für Verunsicherung; diese ist jedoch bei allen Kindern ungefähr gleich groß, sodass kaum ein Unterschied zwischen den integrativen Kindern und ihren Altersgenossen besteht.

Eine gute Infrastruktur wirkt ausgleichend

Dennoch bemerken auch die Kinder die Einschränkungen. Ein unglaublich großes Angebot an potentiellen Nebenbeschäftigungen fällt weg. Wo früher noch die Fahrt mit einem Bus in ein Theater möglich gewesen wäre, da wird heute hinter verschlossenen Türen probiert, das Beste daraus zu machen. Im integrativen Kindergarten „Regenbogen“ in Effelder sind die baulichen Voraussetzungen hierfür gut. Die Hygieneschutzmaßnahmen fallen nicht so schwer ins Gewicht. „Wir können die Gruppen gut und ohne Stolperfallen, wie Treppen, separieren und behalten dank unserer Glastüren trotzdem die Übersicht über die Räume“, berichtet die Leiterin Jana Altmann. Der große Außenbereich hilft, dem Bewegungsdrang nachzukommen, und sorgt somit für einen besseren Ausgleich.

Probleme werden durch die Krise sichtbarer

In der Corona-Pandemie zeigt sich nun einmal mehr der Vorteil kleinerer Gruppen. Auch wenn die Kindergärten selbst bei der Notbetreuung immer noch 70 Prozent ihres eigentlichen Betriebes verwalten müssen, so ist dies bereits ausreichend, um sehr viel mehr Bildungsarbeit leisten zu können. In der Betreuung ist noch mehr Zeit für lehrreiche Interaktionen mit den Kindern. Überspitzt gesagt: In einer perfekten Welt müsste man den Personalschlüssel der Notbetreuung auch im Regelbetrieb beibehalten, dann wären für Kinder wie Pädagog*innen die perfekten Bedingungen geschaffen. Um den Fachkraftmangel soll es hier aber gar nicht gehen.

Die Belastungen der Erwachsenen färben auf die Kinder ab

Probleme für die Kids ergeben sich auch durch die Belastung, der die Erwachsenen tagtäglich ausgesetzt sind. AJS-Fachberaterin Doreen Vonhof bekommt regelmäßig Rückmeldungen von den Einrichtungen und weiß: „Kinder beobachten ganz genau, sie bemerken Gefühle ihrer Bezugspersonen und verarbeiten die Eindrücke, die sie in ihrem Umfeld aufnehmen.“ Welche psychischen Auswirkungen das gerade auf Integrativ-Kinder haben könnte, wird die Zeit zeigen. Bereits jetzt ist offenkundig, dass sich die Situation von bereits auffälligen Kindern verschärft hat. Außerdem steigt die Anzahl bei den Kindern, bei denen eine Auffälligkeit neu festgestellt wird.

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